Vorwort zum Ratgeber Heiraten oder doch nicht

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Ratgeber Heiraten
Die Zeiten sind wohl endgültig vorbei, da alles gut über-schaubar, klar geregelt und wohl geordnet erschien. Alles ist im Fluss, alles verändert sich, nichts ist mehr so wie früher. Und nichts mehr im Leben ist selbstverständlich! Die Pluralisierung des Lebens geht mitten hinein in die Familien, in die Partnerschaften, in die Lebens- und Liebesformen der Menschen. Sie sorgt für größere Gestaltungsfreiheit, für überraschende Frei- und Spielräume, für partnerschaftliche Entscheidungsmöglichkeiten; sie löst aber auch verwirrende Unberechenbarkeit, spürbare Unsicherheit und irrationale Ängste aus. Vom Chaos der Liebe ist die Rede, das Kräfte freisetzt für die stürmische Liebe mit ihrer ganzen Dynamik zur Veränderung, das aber auch durch ihre Irrungen und Wirrungen zur Destabilisierung und Unbeständigkeit der Lieb- und Partnerschaften beiträgt.

Entsprechend buntscheckig und vielfältig zeigt sich die heutige Beziehungslandschaft: Man lebt allein im Apartment; mit Freunden und Freundinnen in der Wohngemeinschaft; in lockeren Wochenendbeziehungen ohne große Verpflichtungen; als Paar mit oder ohne staatlichem und kirchlichem Trauschein; in Erst-, Zweit- oder Drittehen – ganz neoklassisch mit meinen, deinen, unseren Kindern. Chaotische Verhältnisse – im wahrsten Sinne des Wortes?

Was die Liebesbeziehungen junger Leute betrifft, wird die ausgedehnte Berufsfindungsphase mit langfristigen Ausbildungs- und Umschulungszeiten die wichtigsten Lebensentscheidungen immer weiter in die 30er Lebensjahre verschieben. Nirgendwo schlagen die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse so radikal zu Buche wie in den Lebens- und Liebesgeschichten der jungen Generation. Paare müssen erst einen weiten Weg durch die Beziehungslandschaft zurücklegen, bis sie ein stabiles Umfeld für die mögliche Gründung einer Ehe (und Familie) gefunden haben. Der Eintritt ins Berufs-, Ehe- und Familienleben verzögert sich von Jahr zu Jahr.

Trotz wachsender Zahl von Trennungen und Scheidungen mit ihren unendlichen Leidensgeschichten vorher und nachher suchen (junge) Menschen nach wie vor ein Leben in verbindlichen und dauerhaften Beziehungen. Wie ein roter Faden zieht sich die Liebessehnsucht durch ihre Lebens- und Liebesläufe. Ziel all ihrer Sehnsucht ist für die meisten Paare die Liebes-Ehe. Die Liebe macht glücklich, sie macht stark; sie macht aber auch verletzlich, sie ist zerbrechlich. Sie kann ewig währen, sie kann aber auch schnell vergehen. Mit beiden Entwicklungen einer Liebesehe werden junge Paare heute ständig konfrontiert. Ihr Zögern und Zaudern, ihr Prüfen und Vergewissern hat plausible Gründe. Waren es früher oft äußere Vorgaben, wie soziale Versorgung und Sicherheit, familiäre Verpflichtungen, religiöse und gesellschaftliche Überzeugungen, die eine Beziehung zusammenhielten, so sind es heute eher innere Bindungen, also personale Wertschätzung, Liebe und Treue.

Für die Liebesehe gilt es Vorsorge zu treffen durch eine realistische Einschätzung der jeweiligen Situation, durch ein Wachhalten der Sehnsüchte und Hoffnungen aus den Anfangszeiten der Liebe und durch einen fairen Umgang mit-einander in Konflikt- und Krisensituationen.

Die Liebe kennt bewegte Zeiten. Sie muss in Bewegung bleiben im Strom des Lebens, damit sie auch nach Jahren und Jahrzehnten die Liebes- und Eheleute noch bewegt. Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung. Es ist, was es ist, sagt die Liebe (Erich Fried).
Peter Neysters